cabrito-portadaIch sitze im glutheissen Bauch der S25 und sehne mich nach der erfrischenden Brise von La Gomera. Dort verbrachten wir eine wunderschöne Frauenwoche in El Cabrito. El Cabrito ist ein Ökohotel in einer abgelegenen Bucht im kargen Süden der Insel, die man nur per Boot erreicht. Mit Sack und Pack bzw. Rollköfferli trafen wir uns im Flughafen von Teneriffa Sur für unsere Reise ins Herz unserer Weiblichkeit. Am Fährhafen von Los Christianos gab es praktischerweise Gepäckfächer, wo man für 1 Euro sein Gepäck einstellen konnte, dass dann auf die Fähre verfrachtet wurde. Dies erlaubte uns einen kurzen Ausflug zum Sandstrand. Es sollte der einzige gelbe Sandstrand dieser Reise sein. Künstlich aufgeschichtet und mit Wellenbrechern beschützt sorgt die Insel Teneriffa so für urlauberfreundliche Strände, während in La Gomera fast überall Steinstrände sind oder schwarzer Lavasand, der in der Mittagssonne glühend heiss wird. Wir lassen uns den Wind durch die Haare streichen, bewundern die steilen Vulkanberge der mondartig-kargen Insel und waten ins erfrischende Meerwasser. Vor der Fähre wird es dann sehr spannend. Wird es die letzte noch fehlende Teilnehmerin auf die Fähre schaffen? Ihr Flug hatte massiv Verspätung und wir drücken die Daumen und überlegen uns schon Strategien, um die Fähre aufzuhalten, da kommt kurz vor Abfahrt ein Minibus angebraust und spuckt eine schöne blonde Frau mit Lockenkopf aus. Wir sind vollzählig und geniessen die ca. 1 Stündige Überfahrt nach La Gomera. Delfine sehen wir leider keine.
Am Hafen von San Sebastian werden wir abgeholt mit einem blitzblanken weissen Motorboot. Ausser uns sind auch ein paar andere Gäste an Bord, die in El Cabrito ihren Urlaub verbringen wollen. Wir sausen durchs tiefblaue Wasser, den Wind in den Haaren und sind gespannt, was uns erwartet. Die Küste ist steil, schroff und öd, blank gewaschenes Gestein, baumlos, trutzig. Hier, in dieser Kargheit sollen wir in der Fülle unserer Weiblichkeit erblühen? Zum Glück ist El Cabrito eine Oase inmitten des kahlen Küstengebirges. Üppige Bougainvilleen und andere blühende Büsche umschmeicheln die Gebäude der ursprünglichen Bananenplantage. Wir werden von der deutschen Receptionistin am Pier begrüsst und von den Bootsführern an Land gehieft – das Boot schwankt wild in den Wellen und es ist gar nicht so einfach, den Bootssteg zu erreichen, aber dafür sind die Jungs da, einem im richtigen Moment rüberzuschupsen. Gleich werden wir auch instruiert, nur unter den Schutznetzen entlang der Felswand zu gehen, da immer mal wieder Geröll runterfällt. Unser Gepäck wird auf die Zimmer gebracht, während wir uns nach der langen Reise aufs Abendessen freuen. Es gibt leckeren Kartoffelauflauf mit Salat, den wir an langen Holztischen auf einer Terrasse mit Meerblick verzehren. Es werden nicht die letzten Kartoffeln sein diese Woche… Ich erfahre, dass in Spanien generell und in La Gomera speziell viele Kartoffeln gegessen werden. Für mich als Kartoffelmuffel schon etwas gewöhnungsbedürftig, nun von null auf hundert auf Kartoffel-Diät zu gehen. Aber der Auflauf schmeckt lecker. Danach bringt uns Steffi, eine forsche Deutsche, durch eine blütengesäumte Allee voller exotischer, duftender Pflanzen, vorbei an Mango und Avocado-Bäumen und Früchten, die ich noch nie gesehen habe, zu unseren Zimmern, welche in langen Reihenhäusern liegen. Die ehemalige Plantage wurde Ende der 80er Jahre von der Otto Mühl-Kommune aufgekauft und renoviert. Nachdem die Kommune auseinanderging, versuchte man sich zuerst mit Landwirtschaft durchzuschlagen, entdeckte aber dann vor 20 Jahren auch den Tourismus als Einnahmequelle. Den Garten gibt es nach wie vor und versorgt die bis zu 120 Hotelgäste und Bewohner von El Cabrito mit frischem Gemüse, Früchten und Ziegenyoghurt und –käse von den eigenen Ziegen, die im Hinterland die kargen Büsche abgrasen. Seit November hat es hier nicht mehr geregnet und entsprechend trocken ist alles, was nicht bewässert wird.
Wir erreichen unsere Zimmer, die geräumigen auf der Meerseite und die kleineren auf der Bergseite. Schön, schlicht, mit hohen Decken sind sie angenehm kühl. Plakate der Mühl-Kommune über eine Ausstellung zieren eine Wand als Erinnerung an die Geschichte des Ortes. Jemand hat sich die Mühe gemacht, aus den Badetüchern kunstvoll eine Art Schwan zu formen. Man könnte in dem Gebilde auch eine Vulva sehen – wie passend für unsere Frauenwoche. In der Nacht hören viele der Frauen merkwürdige Geräusche draussen, ein gespenstiges Heulen, unbeschreiblich schauerlich aus vielen Kehlen. Ist es ein Tier, ein Vogel, ein Amphibium? Am nächsten Tag erfahren wir, dass es sich um eine seltene, nachtaktive Möwenart handelt, die hier manchmal vorbeikommt. Die Vögel sind blind und orientieren sich wie Fledermäuse nach dem Schall.
Beim üppigen Frühstücksbuffet sind die Schrecken der Nacht schnell vergessen. Heute ist entspannen und ausruhen angesagt. Eine Infoveranstaltung der Reception führt uns in die Geschichte und Besonderheiten dieses Ortes ein. Der riesige Speisesaal war ursprünglich die Bananenpackhalle. Auch unser grosser Seminarraum mit dem schönen Holzboden war ursprünglich Teil des Produktionsbetriebes. In den Schränken entdecken wir viele Malsachen von den Malkursen, die die österreichische Kunstakademie hier veranstaltet – auch so ein Link zu Otto Mühl und seiner Künstlerkommune.
Wir widmen uns hingegen in dieser Woche ganz anderen Künste. 64 weibliche Künste nennen die tantrischen Schriften, welche ein Frau beherrschen sollte, um eine echte Tantrika zu sein und in der Ganzheit ihrer Weiblichkeit zu erblühen. Am ehesten kann man sich davon eine Vorstellung machen im Film „Memoiren einer Geisha“, japanisch zwar, aber zeigt sehr eindrücklich die Meisterschaft dieser Frauen, die nicht nur körperliche Reize hatten, sondern ihre Gäste mit Kunst, Gedichten, Musik und Grazie in die zauberhafte Welt einer aufs höchste raffinierten Weiblichkeit entführten. Oder der Film „Kamasutra“, der die harte Ausbildung der Tempeltänzerinnen zeigt.
In unserer Woche geht es aber nicht um Drill. Lustvoll bewegen wir uns im Rhythmus der Musik, singen und erkunden, wie sich das weibliche durch uns leben will. Wir lernen verschiedene Göttinnen kennen, die uns auf unserem Weg inspirieren und verwandeln uns Schritt für Schritt immer mehr in strahlende Lichtwesen, bis wir zum Schluss in unserer Göttinnen-Zeremonie gänzlich gewandelt sind und als Apassionata-Habibi, Luna-Stella, Mariposa etc. unser Licht zurück in die Welt tragen, die wir vor einer Woche zurückliessen.

P1030040cklein
Auch Schorsch Gaggo hat uns unerwartet in einer Kakao-Zeremonie besucht zur allgemeinen Erheiterung, wir haben viel gesungen, das Jade Ei und andere taoistische und tantrische Geheimnisse erkundet. Ein Ausflug brachte uns ins Valle Gran Rey, wo wir wie ein Heuschrecken-Schwarm über die Boutiquen herfielen und dann an einem verträumten Wasserfall die heissen Füsse badeten und auf der Rückreise einen kurzen Blick in den mystischen Nebelwald warfen. So verging die Woche wie im Flug, mit Yoga, Chi Gong und herrlich faulen Nachmittagen unter den Palmblattschirmen am Strand.
Sonnengebräunt und gut durchgelüftet von der steten Meeresbrise nehmen wir von El Cabrito Abschied, von dieser Insel des ewigen Sonnenscheins, in der ganzjährig angenehme Temperaturen herrschen, nicht zu heiss, nicht zu kalt und in uns klingt noch der Ohrwurm „Every little cell in my body is happy, every little cell in my body is well. I’m so glad cause every little cell, every little cell in my body is well…